ANIS - PIMPINELLA ANISUM

Von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé - www.biolib.de
Original book source: Flora von Deutschland,
Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany, Gemeinfrei 

"Anis ist wärmend und trocknend im dritten Grade [...]. Sein Same ist äußerst hilfreich, und sein Geschmack ist scharf und ein wenig bitter [...]. Und er hat auch die Kraft, dass er den Urin ausleitet und die Blähungen des Bauches vertreibt und die Schmerzen legt und schweißtreibend wirkt. Er wirkt auch gut bei Wassersucht [...] und ist auch ein geeignetes Mittel für die Nieren. Er fordert die Muttermilch und weckt die Lust." De Gruyter, Leipziger Drogenkompendium aus dem 15. Jahrhundert

Anis wurde bereits vor 4000 Jahren als Gewürz und Heilpflanze angebaut, vor allem in Ägypten und auch in Syrien, Griechenland und auf Zypern. Bereits 1500 vor Christus wird Anis im "Papyrus Ebers", einer der großen Rezeptsammlungen der altägyptischen Medizin erwähnt. Medizinische Texte aus der Pharaonenzeit nannten die Anissamen als ein Mittel gegen Harntreiben, gegen Verdauungsbeschwerden und gegen Zahnschmerzen. 

Anis ist ein beliebtes Gewürz für Gebäck und zur Herstellung von alkoholischen Getränken (Anisschnaps, Pernod, Pastis, Ouzo). Heute wird er in Südeuropa (Türkei), im Mittelmeergebiet (Spanien), im Vorderen Orient (Ägypten) und Indien kultiviert. Aus weggeworfenen Früchten kommt er mitunter an Wegrändern und Schuttstellen ver­wildert vor, sofern ihm das Klima behagt.

Anis in der Klosterheilkunde

In der Klosterheilkunde war Anis als Gewürz und Heilmittel gleichermaßen geschätzt - der Anbau von Anis unter dem Namen "anesum" wurde in der Capitulare de villis von Karl dem Großen ausdrücklich per Gesetz angeordnet. Auch im Lorscher Arzneibuch aus der Karolingerzeit findet sich Anis in mehreren Rezepten zur Förderung der Verdauung und als Mittel gegen die Erkrankung der Atemwege. Und sogar auch gegen die Melancholie. Dies haben wir wohl den ätherischen Ölen des Anis zu verdanken. Anis galt sogar als Aphrodisiakum. Aromatherapie im Mittelalter!

Anis und die Familie der Doldenblütler

Der Anis gehört zur Familie der Doldenblütler (Apiaceen), zu denen auch weitere aromatische Kräuter wie der Kümmel, Fenchel, Dill und auch die Wilde Möhre gehören. Anis wird als Gewürz verwendet und war in Deutschland die Heilpflanze des Jahres 2014.

Wildwachsend kommt er hauptsächlich im östlichen Mittelmeerraum vor. Er liebt feuchtwarmes Klima und kommt mit trockenen sandigen Böden sehr gut zurecht. Der Anis stammt vermutlich aus dem östlichen Mittelmeerraum, dem Orient. Noch heute wird er in den Mittelmeerländern angebaut. Es gibt ihn dort traditionell als Anisschnaps "Pastis" in Frankreich, als Ouzo in Griechenland und in der Türkei als "Raki".

Seine botanische Bezeichnung lautet Pimpinella anisum. „Pimpinella“ ist im Deutschen aber auch eine Bezeichnung für ganz andere Pflanzen: Die „Große Bibernelle“ (Pimpinella major) und die „Kleine Bibernelle“ (Pimpinella saxifraga). „Bibernelle“ ist allerdings auch der Name des Kleinen Wiesenknopfs (Sanguisorba minor), weswegen es häufig zu Verwechslungen zwischen diesen Pflanzen kommt.

Anis als Heilpflanze

In der Pflanzenheilkunde werden die Anisfrüchte (nicht die Samen) verwendet. Botanisch gesehen besteht "Anis" also aus den getrockneten Früchten von Pimpinella anisum L. sowie deren Zubereitungen in wirksamer Dosierung. Die Arzneidroge enthält ätherische Öle. In der Apothekersprache heißt das Arzneimittel Anisi fructus, was auf die Verwendung der Früchte hinweist.

Die zerkleinerte Droge nimmt man für Aufgüsse (Tee) sowie andere galenische Zubereitungen zum Einnehmen und zur Inhalation. Eine äußere Anwendung von Anis-Zubereitungen muss eine Inhalation des ätherischen Öls zum Ziel haben.

Inhaltsstoffe und Wirkungen

Die Früchte des Anis, fälschlicherweise auch als Samen bezeichnet, enthalten ätherisches Öl („Anisöl“) mit dem süß schmeckendem trans-Anethol als Hauptbestandteil. Dieses Terpern ist auch auch für den typischen Geruch der Droge verantwortlich. Dazu enthalten Anisfrüchte fettes Öl und Proteine. trans-Anethol ist im Anisöl zu 80 bis 90 % enthalten, außerdem enthält es Estragol, Anisaldehyd und Monoterpene.

Anethol, das ätherische Öl des Anis hat eine leicht antibakterielle, sekretionsanregende, schleimlösende und expektorierende (auswurffördernde) Wirkung. Dazu antibakteriell und schwach spasmolytisch. Die Inhaltsstoffe des Anis wirken ähnlich wie beim Fenchel. Dazu wirken sie antibakteriell und schwach spasmolytisch. Insgesamt wirken die Inhaltsstoffe des Anis carminativ, entspannend und leicht spasmolytisch. Die Wirkung beruht auf dem entkrampfenden Effekt auf die glatte Darmmuskulatur, einer Steigerung der Durchblutung der Darmschleimhaut sowie auf einem antimikrobiellen Effekt mit der Verminderung der Bildung von Gärungsgasen durch die Darmflora.

Indikationen (Anwendungsgebiete) von Anis

Magen-Darm-Beschwerden: Innere Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden (Leichte Darmkrämpfe, Blähungen, Flatulenz). 

Erkältungen: Innere und äußere Anwendung bei Katarrhen der Luftwege. Schleimlösend bei erkältungsbedingtem Husten. 

Nebenwirkungen: Gelegentlich allergische Reaktionen der Haut, der Atemwege und des Gastrointestinaltraktes, bei Allergie gegen Anis und Anethol. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln sind keine bekannt.

Anerkannte medizinische Anwendung

Das HMPC hat Anis und Anisöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft (siehe „Traditionelle Anwendung“).
ESCOP - Anis: dyspeptische Beschwerden wie leichte krampfartige gastrointestinale Be­schwerden, Blähungen, Flatulenz; leichte Entzündung der oberen Luftwege, als schleim­lösendes Mittel; diese Anwendungs­gebiete stützen sich auf Erkenntnisse der lang­jährigen Anwendung am Menschen.
Kommission E (Anis und Sternanis): dyspeptische Beschwerden (innere Anwendung), Katarrhe der Luftwege (innere und äußere Anwendung).

Traditionelle Anwendung

Das HMPC hat Anis und Anisöl als traditionelle pflanzliche Arzneimittel (§ 39a AMG) eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Anis und Anisöl bei leichten krampf­artigen Beschwerden im Magen-Darm-Bereich (bei Blähungen und Flatulenz) und als Schleim lösendes Mittel bei erkältungsbedingtem Husten eingesetzt werden.

Rezepte

VIER-WINDE-TEE

Anisfrüchte können als Tee oder als ätherisches Öl eingenommen werden. Wobei man das Öl nicht unverdünnt anwenden darf. Unten eine Rezeptur für einen Tee bei Verdauungsbeschwerden und Blähungen, der auch für Kinder geeignet ist. Die Samen bzw. Früchte von Kümmel, Fenchel und Anis werden im Mörser zerdrückt.

  • Kümmelsamen bzw. Früchte (Carvi fructus) 30.0 g
  • Fenchelsamen (Foeniculi fructus) 20.0 g
  • Anisfrüchte (Anisi fructus) 30.0
  • Pfefferminzblätter (Menthae piperitae folium) 20.0 g

Zubereitung: 2-3 Teelöffel der Teemischung mit ca. 200ml heißem Wasser übergießen und 5-7 Minuten ziehen lassen. Zugedeckt, damit die ätherischen Öle nicht entweichen.

Anmerkung: Die Rezeptur habe ich im Rahmen meines Phytotherapie-Studiums bei der Fernschule Impulse e.V. in Wuppertal erstellt und für den Anwender vereinfacht.


Anmerkung: Sternanis ist ähnlich aber nicht verwandt

"Als „Sternanis“ bezeichnet man die sternförmigen Sammelbalgfrüchte des (Chinesischen) Sternanisbaums, ein bis 10 m hoher Baum, der in Ost- und Südostasien (China, Japan, Vietnam, Philippinen) kultiviert wird. Seine Früchte bestehen aus 8 rotbraunen, kahn­förmigen um eine Mittelachse rosettig angeordneten Balgfrüchten, die jeweils einen braunen Samen enthalten, manchmal fehlend. Sternanis wird in der Küche zum Würzen von Glühwein gerne verwendet." (Quelle: Arzneipflanzenlexikon).

Sternanisfrüchte enthalten ätherisches Öl mit 85 bis 95 % trans-Anethol, Flavonoide, Shikimisäure und andere Phenolcarbonsäuren, in den Samen fettes Öl.


Quellen und Literatur


Anis - Arzneipflanzenlexikon.info (Letzter Zugriff 4.10.2024)

Bühring, Ursel: Lehrbuch der Heilpflanzenkunde. Stuttgart: Thieme, Haug Verlag, 2021.

Mayer, Johannes Gottfried; Uehleke, Bernhard; Saum, Kilian: Handbuch der Klosterheilkunde. München: Zabert Sandmann, 2002.

Stern, Cornelia; Ell-Beiser, Helga: Phytotherapie in Theorie und Praxis. Aarau/München: AT Verlag, 2022.

Wichtl - Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage von Wolfgang Blaschek (6. Aufl.). Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015






Kommentare